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Der nächtige Ort

Roman

Erschienen am 15.06.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630871622
Sprache: Deutsch
Umfang: 556 S.
Format (T/L/B): 4.4 x 22 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

''Einer der bedeutendsten europäischen Erzähler seiner Generation.'' Die Welt

Das Opus magnum Marcel Mörings zeigt großes Welttheater, das sich in einer kleinen Provinzstadt abspielt, in einer einzigen warmen Juninacht. Ein gewaltiges, packendes Epos voller unerwarteter Wendungen, das spielerisch und souverän große Themen wie Judentum, Philosophie und Menschheitsgeschichte in Literatur überführt.

In der niederländischen Kleinstadt Assen scheint in einer warmen Juninacht in den achtziger Jahren der ganze Ort auf den Beinen zu sein, überall finden Sommerfeste statt. Auch der gut sechzigjährige Jakob Noach ist unterwegs, und er resümiert in dieser Nacht sein Leben. Er ist Jude, und er hat als Einziger seiner Familie den Zweiten Weltkrieg überlebt, weil er sich drei Jahre lang in einem Erdloch versteckt hat. Danach hat er versucht, durch Arbeit und das Streben nach Wohlstand und Reichtum die Leere in seinem Leben zu füllen. Nun gehört er zwar zu den größten Unternehmern der Stadt, doch er muss sich eingestehen, dass er seiner eigenen inneren Hölle nie hat entfliehen können. Hat er seine Frau je geliebt? Was ist mit seinen drei Töchtern, auf die er so stolz ist?

Jakobs Führer durch die Nacht ist ein Hausierer, der sich als Jude von Assen vorstellt und merkwürdig viel von seinem Leben weiß. Und noch ein anderer Außenseiter geistert neben den feiernden Nachtschwärmern durch den Ort: Marcus Kolpa, der aus der Großstadt in seinen Heimatort gekommen ist, weil er Chaja wiedersehen will, Jakobs jüngste Tochter und Marcus'' erste große Liebe.

Leseprobe

Und als er hier aus dem Moor kommt nach drei Jahren Maulwurf in einem Loch nach drei Jahren fast schwarz nein braun wie ein frischer Pferdeapfel er glänzt in der Maisonne wenn die Sonne auf seine Haut scheint schimmert er wie Pferdescheiße wie ein frisch poliertes Büfett und er geht halb krumm falls man das Gehen nennen will sein Gehen und die Sonne sticht ihm in die Augen die Augen tränen von den Stichen der Sonne in seinen Augen nach drei Jahren und als er nun aus dem Moor kommt und sich aufrichtet und die Maiwolken am briefpapierblauen Himmel sieht sind da die Häuser am Smilder-Kanal der gerade Waldrand eine bleierne Mauer die etwas verbirgt was er allzugut kennt und in seinem Kopf ist nur ein Gedanke ein Gedanke aber der will bleiben ein Gedanke der klopft und pocht wie ein eiternder Finger ein Gefühl das sein Herz einschnürt seine Finger krümmen sich nur um ein Ding das er festhalten will und zerdrücken den Saft herausquetschen bis das Leben entweicht. Gott Ein Gedanke, und das ist Rache. Er will rächen. Alles rächen. Er will den Strick der seine Hose hochhält wegreißen die Erde beiseite fegen und den gottverdammten Acker dieser gottverdammten Bauern vögeln um sich zu rächen. Die erstbeste breitbusige blonde rotbackige Bäuerin in eine Furche stoßen und während ihr Gesicht in der fetten Erde liegt und der Speichel aus ihrem Mund läuft und sich mit dem schwarzen Boden vermischt in den Arsch ficken. Er will brandschatzend und plündernd durch Dörfer und Felder reiten und wie eine rachedurstige schwarze Gestalt auf einem fahlen Pferd dieses Land in Asche legen bis nichts bleibt als Schwefel und Pech die verkohlten Stümpfe von Häusern die rauchenden Fundamente von Bauernhöfen aufstaubende dürre Felder und gedunsene Leiber und violette Kadaver am Wegesrand. Aber so läuft das nicht. Ein Jagdflugzeug schießt über ihn hinweg, das mit den Flügeln grüßt. Die Kennzeichen der Royal Air Force ein Schimmer von Blau und Weiß und Rot. In der Ferne schreit ein Schwein. Kinder in blauen Overalls angeln im schwarzen Wasser. Löwenzahn steht gelb am grasigen Wegrand. Ein Arbeitspferd trabt mit gebogenem Hals über eine Wiese. Kurz vor Mittag stiehlt er ein Fahrrad, das hinter einer Scheune steht, und ohne sich nach den schreienden Knechten umzusehen, die auf dem Feld arbeiten, tritt er in die Pedale, den Kanal entlang, Richtung Stadt. Er fährt. Er fährt den langen, geraden Kanal entlang, seine einzige Erinnerung an die Jahre als Maulwurf im Loch schlägt ihm in der Jackentasche ans Bein. Er fährt. Zum erstenmal seit drei Jahren fährt er Rad, und der Wind weht ihm durch die verfilzten Locken, und seine Augen tränen, und seine Beine tun weh, und er fährt und er fährt und er fährt. Und als er sich nach einer halben Stunde der Stadt nähert, bremst er, um sich ein letztes Mal umzusehen, und das Sonnenlicht, sanftgelbweitweg, Balsam für die harten Linien der Landschaft, flutet ihm übers Gesicht und in die Augen und durch das Haar, und in der Ferne, wo das dunkle Wasser des langen Kanals am Horizont verschwindet und die Straße und das Häuserband erst blau werden und dann grau und dann verschwimmen, dort, wo er drei Jahre lang wie ein Maulwurf in einem Loch im Moor gelebt hat, wie ein Wurm in der Erde, und drei Jahre lang Erde, Moor, Torf, braunes Wasser, seine gottvergessene Seele gerochen hat, da ragt der hohe Himmel auf wie eine Mauer von sommerlichem Blau, ein Klischee von Glück und Erfolg und schönen Erinnerungen andamalsalswirnochganzjungwarenunddieweltgut, und ihm kommt die Galle hoch, eine Bitterkeit steigt auf, und zu seiner Überraschung muß er sich zur Seite beugen, um eine silbrige Schliere aus seinem leeren Magen zu kotzen, genau neben die mit Schnur zugebundenen Schuhe, ein glitzernder Salamander im Staub der Straße. Nie wieder. In der Stadt fährt er durch ein Netz erstaunter Blicke. Fahnen hängen aus den Fenstern, orangefarbene Wimpel wedeln im milden Frühlingslüftchen, irgendwo flappt ein halb abgerissener Ans Leseprobe

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